Bundesarbeitsminister Heil bei Buderus

Fotos: Heiner Jung.
Fotos: Heiner Jung.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil spricht sich bei Buderus Edelstahl mit Nachdruck für die Verbesserung der Perspektiven für die deutsche Stahlindustrie aus: Wetzlar hat eine jahrhundertelange Tradition als Standort der Eisen- und Stahlerzeugenden Industrie.

Waren vor rund 150 Jahren rund 100 Bergwerke im heutigen Stadtgebiet im Betrieb und wurde 1872 der erste Wetzlarer Hochofen der Gebrüder Buderus „angeblasen“ so verfügt Wetzlar heute nahezu mitten in der Stadt über das zur österreichischen Voest alpine Gruppe gehörende Stahlwerk Buderus Edelstahl. Es blickt 2020 auf seine 100jährige Geschichte.

 

Das „Elektrostahlwerk“ konnte im Jahr 2018 einen Jahresausstoß von rund 300.000 Tonnen sehr hochwertigen Stahls verzeichnen. Und nicht zuletzt ob unserer langen Tradition sondern auch der Tatsache, dass viele Menschen in der Region von der Stahlerzeugung seit Generationen leben, sagen wir in Wetzlar mit Fug und Recht „Wetzlar hat ein Herz aus Stahl“. Neben der optischen und feinmechanischen Industrie ist der Stahlstandort ein Teil der DNA Wetzlars, so Oberbürgermeister Manfred Wagner.

 

Doch die deutsche Stahlindustrie steht in diesen Zeiten vor besonderen Herausforderungen. Das spürt man auch am Standort Wetzlar. Hier sieht sich der Konzern gezwungen, Personal abzubauen und Kurzarbeit durchzuführen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil besuchte jetzt gemeinsam mit der heimischen Bundestagsabgeordneten Dagmar Schmidt, Landrat Wolfgang Schuster und Oberbürgermeister Manfred Wagner Buderus Edelstahl, um sich sowohl im Gespräch mit der Betriebsleitung von Buderus Edelstahl als auch im Rahmen einer Betriebsrätekonferenz mit den Belegschaftsvertreterinnen und –vertretern über die aktuelle Situation der stahlerzeugenden und stahlverarbeitenden Betriebe an Lahn und Dill auszutauschen.

 

Die besonderen Herausforderungen ergeben sich aktuell aus den Umstrukturierungsprozessen in der Automobilindustrie, den internationalen Handels- und Zollkonflikten, den Massenstählen, die insbesondere aus Asien auf die Märkte drängen, aber auch den Folgen der Energiewende, die gerade Stahlwerke, wie das in Wetzlar, vor besondere Probleme stellt. Denn nicht nur, dass die internationalen Wettbewerbsbedingungen sehr ungleich sind, führen auch die unterschiedlichen Kostenstrukturen der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland zu enormen Verwerfungen, die sich gerade auch für Edelstahl nachteilig im Vergleich zu dem Nachbarland Nordrhein-Westfalen auswirken.

 

„Gut gemeint ist nicht gut gemacht“, so Hubertus Heil der diese Verwerfungen stark kritisierte und versprach, diesen Aspekt am Kabinettstisch mit Nachdruck einzubringen und um Lösungen für die nationale Stahlindustrie bemüht zu sein. Zumal die Stahlindustrie für die Wertschöpfung und den Wohlstand in Deutschland unverzichtbar ist. Schließlich ist Stahl ein grundlegender Bestandteil des alltäglichen Lebens und trägt zu einem nachhaltigen Konsum bei. Der Stahlbedarf des privaten Konsums in Deutschland beträgt rund 180 kg Stahl pro Jahr und Einwohner. Stahl wird nicht nur für stahlintensive Produkte benötigt, sondern für nahezu jedes Gut und jede Dienstleistung.

Stahl ist ein Werkstoff, der verlustfrei immer wieder recycelt werden kann. Allein die Stahlindustrie in Deutschland, so auch bei Edelstahl in Wetzlar, setzt jährlich mehr als 20 Millionen Tonnen Stahl- und Eisenschrott ein, um daraus neue Produkte herzustellen. Stahlschrott wird flächendeckend fast vollständig erfasst und anschließend komplett dem Recycling zugeführt. Weil dabei keine Qualitätsverluste auftreten, lassen sich auch diese Produkte wieder recyceln – eine unendliche Geschichte. Aus einer Tonne Stahl entstehen so zum Beispiel nach sechsmaligem Recycling in der Summe vier Tonnen neue Stahlprodukte. Durch das Stahlrecycling in Deutschland werden mehr als 20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr vermieden. Das ist so viel, wie Berlin in einem Jahr freisetzt.

 

Das zeigt aber auch, dass eine leistungsfähige und nach hohen Umweltstandards arbeitende Stahlindustrie ein Teil der Lösung der Herausforderungen des Klimawandels ist und eben nicht das Problem darstellt, zumal Stahlwerke, wie das in Wetzlar, in den zurückliegenden Jahren massiv in die Umwelttechnik investiert haben. War die Wertschöpfung des Stahlwerks in früheren Jahren noch durch Staub-, Lärm- und Geruchsbelastungen intensiv körperlich wahrnehmbar, so ist das heute auch in Wetzlar ganz anders. Und damit wird auch deutlich, dass ein Zurückdrängen der Stahlproduktion von nationalen Standorten, wie zum Beispiel Wetzlar, global betrachtet und damit für die Frage des Klimaschutzes nur nachteilig sein kann. Denn schließlich wird Stahl in anderen Teilen der Welt unter wesentlich schlechteren Bedingungen produziert - sowohl was die Umweltstandards, als auch die Arbeitsbedingungen anbelangt.

 

Mit dem Landrat, der heimischen Bundestagsabgeordneten und dem Wetzlarer Oberbürgermeister war sich Hubertus Heil darin einig, dass es eine der vornehmsten Aufgaben der Politik sein muss, den industriellen Kern des Landes zu erhalten und ihm Perspektiven zur Weiterentwicklung zu geben. Darauf müsse, so der Bundesminister, gerade auch bei der Umsetzung des von der EU-Kommission propagierten „Green deal“ geachtet werden. Denn die Branche könne mit modernen Produktionsstätten einen nachhaltigen Beitrag leisten.

Hubertus Heil nahm sich zudem viel Zeit, mit den Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertretern über die gerade für den bevorstehenden Strukturwandel erforderlichen arbeitsmarktpolitischen Instrumente auszutauschen. Er stellte seine Überlegungen für ein „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ vor, das er jetzt in der Koalition diskutieren und zügig auf den Weg bringen wolle. Im Kern geht es ihm darum, dass die Beschäftigten von heute auch die Arbeit von morgen erledigen können. „Deshalb müssen wir die Förderung zur Weiterbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nachdrücklich ausbauen“, so Hubertus Heil.

 

Denn wenn sie zum Beispiel die Veränderungen in der Automobilwirtschaft durch Digitalisierung, umweltfreundlichere Antriebe und autonomes Fahren gestalten wollen, dann müssen wir sie dabei nachhaltig unterstützen. Und im Falle von wirtschaftlichen Einbrüchen müsse eine Kurzarbeitsregelung bereitgehalten werden, die, wo immer es geht, mit Qualifizierung verbunden ist. Für ihn gelte es schnell, ähnlich wie zum Beispiel in der Finanzkrise 2008/09 über nachhaltig wirkende Instrumente zu verfügen.