Sucht im Alter:                                                     Eines der größten Tabus unserer Gesellschaft

Mit dieser Feststellung eröffnete Bürgermeister Manfred Wagner die Fachtagung „Sucht im Alter“ im Wetzlarer Klinikum. Über Abhängigkeit spricht man nicht. Wir alle begegnen jedoch in unserem Lebensalltag möglicherweise Menschen, die selbst abhängig sind, sowie Menschen, die unter der Abhängigkeit eines oder mehrerer Familienmitglieder leiden. 

 

Aber insbesondere dann, wenn es um die Suchtabhängigkeit  im Alter geht, ist dies ein Thema, über das kaum geredet wird und in der Öffentlichkeit ein wenig beachtetes Problem darstellt. Sei es, weil das Problem nicht erkannt wird oder weil unterstellt wird, dass sich alte Menschen nicht mehr ändern könnten oder wollten.

 

Der Missbrauch und die Abhängigkeit von Substanzen ist  jedoch im höheren Lebensalter keine Seltenheit, sondern bei Menschen über 65 Jahren durchaus verbreitet. Schätzungen gehen davon aus, dass in unserem Land bis zu 400.000 ältere Menschen von einem Alkoholproblem betroffen sind.


Laut einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit schätzen Pflegekräfte, dass ca. 14% der Menschen, die von ambulanten Pflegdiensten und stationären Einrichtungen betreut werden, Alkohol- oder Medikamentenprobleme haben.

 

Das heißt, dass die Suchtproblematik im Alter eine stärkere Aufmerksamkeit erfordert, stellte der Bürgermeister fest. Professor Dr. Siegfried Weyerer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit der Universität Mannheim wies im Rahmen seiner Ausführungen darauf hin, dass die Suchtgefahren im fortgeschrittenen Alter oftmals nicht wahrgenommen würden und suchtkranke ältere und alte Menschen häufig nicht – wohl auch aus einer gewissen Scham heraus - die Hilfen fänden, die sie benötigten. Zugleich stellte Prof. Dr. Weyerer in seinen Ausführungen, das veränderte Konsumverhalten, den Zusammenhang zwischen der Gefahr, eine demenzielle Erkrankung zu erleiden und dem Alkoholmissbrauch dar und skizzierte wachsende Bedeutung des Medikamentenmissbrauchs.

 

Das sich in der Gesundheitsregion Lahn-Dill etablierende Netzwerk „Suchthilfe - Altenhilfe“ lobte der Mannheimer Professor als vorbildlich und ermunterte die Verantwortlichen, diesen Weg weiterzugehen. Waltraud Velte, Projektverantwortliche der Suchthilfe Wetzlar e.V. und Dr. Thomas Klein von der Fachklinik Eschenburg stellten den Verbund dem interessierten Fachpublikum vor. Sie wiesen darauf hin, dass das Netzwerk in Kürze mit einem eigenen Web-Auftritt präsent sein und über seine Strukturen berichten und Hilfsangebote aufzeigen werde.

 

Damit verbindet sich die Perspektive, ein bisher weniger beachtetes Thema in den Fokus zu rücken, Fachkräften in der Suchthilfe und in der Altenhilfe Unterstützung zu bieten und insbesondere die Lebensqualität für Betroffene und ihre Angehörigen zu steigern, so Manfred Wagner.

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